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Der berühmteste Flitzer der Welt: "Ich mache doch nichts Schlechtes"

Foto: Gorm Kallestad/ picture alliance / dpa

Flitzer Jimmy Jump Ein Mann rennt seinen Weg

Er ist der berühmteste Flitzer der Welt. Der Spanier Jaume Marquet macht als Jimmy Jump seit Jahren Großveranstaltungen unsicher. Das hat ihm viel Freude, aber auch Ärger und finanzielle Probleme bereitet. Aufhören ist trotzdem kein Thema. "Ich muss weitermachen", sagt er.

Seine Schwester wartet vor Saal drei und hält ihre kleine Tochter fest an der Hand. Jaume Marquet steht sechs Meter von ihr entfernt. Die, mit denen er spricht, sagen: "Phantastisch, das war toll." Und: "Ein super Film."

Die Schwester schaut ihren Bruder mit einem Blick an, als wolle sie sagen: "Junge, wann hörst du endlich auf damit?" Aber sie wird das nicht laut sagen, sondern ihn umarmen und nach Hause fahren.

Es ist ein kalter Januartag in Barcelona, Kino "Renoir Floridablanca", das Filmfestival "Docs" findet hier statt. 200 Besucher haben sich den 30-minütigen Dokumentarfilm "Minut de glòria" (zu deutsch: Eine Minute Ruhm) angeschaut, junge Mädchen mit Piercings an der Lippe und ältere Männer mit Mantel und Hut. Am Ende klatschten sie alle kräftig in die Hände.

"Flitzen ist mein Leben"

"Minut de glòria" zeigt das Leben von Jaume Marquet, der als Störenfried internationale Berühmtheit erlangt hat. Er hat 230.000 Fans bei Facebook, auf der Straße in Barcelona wird er erkannt und posiert für Fotos, die Leute klopfen ihm anerkennend auf die Schulter.

Marquet, 35 Jahre alt, 1,85 Meter groß, bullig, hektisch, ist der bekannteste Flitzer der Welt. Als Jimmy Jump springt er weltweit bei sportlichen und gesellschaftlichen Großveranstaltungen über Absperrungen und rennt ins Rampenlicht. Seit zehn Jahren geht das schon so.

"Ich träumte schon als Kind davon, ins Fernsehen zu kommen. Ich habe mich beworben, aber niemand wollte mich. Also musste ich radikaler sein", sagt er in "Minut de glòria".

Es fing an im Jahr 2002, als Jimmy bei einem Spiel seines Lieblingsclubs FC Barcelona quer über den Rasen sprintete. Ein Auszug der Events, bei denen die Sicherheitskräfte seinen Auftritt nicht verhindern konnten: Formel 1 in Barcelona 2004, Fußball-EM-Finale in Lissabon 2004, Rugby-WM-Finale in Paris 2007, French-Open-Finale (Tennis) in Paris 2009 und Fußball-WM-Finale in Johannesburg 2010.

Alle Grenzen dieser Welt können überwunden werden

Aber nicht nur Sportereignisse macht er unsicher. Beim Finale des Eurovision Song Contests 2010 in Oslo tanzte er bei der spanischen Darbietung hinter Sänger Daniel Diges. Auch beim spanischen Filmpreis "Goya" 2011 stand er auf der Bühne.

Warum macht er das? "Ich will den Menschen zeigen, dass sie alle Grenzen dieser Welt überwinden können, wenn sie bereit sind, alles dafür tun", sagt Marquet, "ich will ihnen Mut machen."

Wer mit Jaume Marquet spricht, dem wird sehr schnell klar, wie ernst er das alles meint. Er sagt: "Flitzen ist mein Leben." Für die Filmvorführung hat er sich schick gemacht, frisch rasiert, schwarze Daunenjacke, dunkelblaue Jeans, Lederschuhe. Vielleicht lernt er hier jemanden kennen, der ihm seinen Traum erfüllt und ihm eine eigene TV-Show anbietet.

Ein regelmäßiges Einkommen würde ihm gut tun. Marquet hat Schulden in Höhe von 200.000 Euro - er hat die Strafen für seine Flitzeinlagen nicht bezahlt. "Ich mache doch nichts Schlechtes", sagt er, "und Geld habe ich sowieso nicht." Bis vor zwei Jahren arbeitete er als Buchverkäufer. Dann warf ihn sein Chef raus, weil er wegen des Eurovision Song Contests die Arbeit geschwänzt hatte.

Stört zwar, aber tut niemandem weh

Bei einigen seiner ersten Auftritte rannte er mit Werbung auf dem T-Shirt ins Rampenlicht und verdiente damit gutes Geld. "Aber ich habe schnell gemerkt", sagt Marquet, "dass ich mich so nicht frei fühlen kann. Ich habe mich gekauft gefühlt." Bei seinen insgesamt rund 20 Auftritten danach flitzte er ohne Gage, das hat ihn in die Bredouille gebracht. Wovon er lebt, will er nicht verraten.

Man kann Jaume Marquet für seinen Mut und sein Anderssein lieben, denn er stört zwar, tut aber niemandem weh. Die meisten Zuschauer lachen, wenn sie ihn flitzen sehen. Oder man hasst ihn. Die Ordner und Sicherheitskräfte, die er in seiner Karriere überwunden hat, gehören zu der zweiten Gruppe, ebenso viele Sportler. Wenn Fußball-Superstar Cristiano Ronaldo einen Pass spielen will, kann es sein, dass Jimmy Jump um die Ecke kommt und das Spiel unterbrochen werden muss.

Im vergangenen Jahr war das so, da bewarf Jimmy Ronaldo mit einer "Barretina", einer katalanischen Kopfbedeckung. Es sollte die Strafe dafür sein, dass der Portugiese bei Real Madrid, dem Erzrivalen des FC Barcelona, spielt. Dessen bestem Spieler Lionel Messi hat Jimmy die Mütze auch schon mal aufgesetzt, "damit habe ich ihm meinen Tribut gezollt."

Die Menschen sollen lachen, und nachdenken

Marquet hat weltweit Stadionverbot, es kommt vor, dass er von Sicherheitskräften schon vor dem Stadion aufgespürt und bis Spielende festgehalten wird. Trotzdem erreicht er sein Ziel immer wieder, schleicht irgendwie an den Ordnern vorbei ins Stadioninnere. "Irgendwann spüre ich dann das Adrenalin und renne los. Es ist ganz einfach", sagt Marquet. Er absolviert dreimal wöchentlich Laufeinheiten, um fit und schnell zu bleiben.

"Natürlich gibt mir das auch selbst ein gutes Gefühl aber ich denke vor allem an die, die mir zuschauen. Ich will, dass die Menschen lachen", sagt Marquet und schiebt hinterher: "Und sie sollen nachdenken." Darum lief er beim Halbfinale der Fußball-EM 2008 zwischen Deutschland und der Türkei mit einem "Free Tibet"-Shirt über den Rasen. Jaume Marquet hat keinen Job, kein Geld, keine Freundin, keine Kinder, seine Familie sorgt sich um ihn und versteht seine Motivation nicht. Er sagt, er fühle sich immer weiter weg von der Gesellschaft.

Sollte er nicht besser Schluss machen?

"Ich werde immer mehr von Jaume Marquet zu Jimmy Jump", sagt er in "Minut de glòria".